Jahresrückblick 2005
Tuesday, July 04, 2006
Monday, July 03, 2006
Saturday, July 01, 2006
Jahresrückblick 2001
Doch im 2001 kehrte sich das Blatt plötzlich und unsere ganzen Träume, ja sogar unsere Existenz in Kerala drohte wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen. Wir fielen in ein völliges Tief und wir wussten bald nicht mehr ein noch aus. Wann alles angefangen hat, ist im Nachhinein schwer zu sagen, aber wir litten immer mehr unter Sandhas schizophrenen Schüben, die in immer kürzeren Abständen und in immer längeren Zeitspannen erfolgten. Am 5. März eskalierte die Situation und Sandha kam während einem Anfall mit einem Buschmesser auf mich los und bedrohte mich. Das war das endgültige Aus und wir mussten sie entlassen. Zu jener Zeit begannen gerade die Schuljahresabschlussprüfungen und wir verinbarten mit Sandha, dass Savida für die nächsten 3 Wochen noch hier bleibt, um ihre Examen zu schreiben. Das waren die intensivsten 3 Wochen mit Savida und wir haben jeden Tag zusammen genossen, wie wenn es der letzte wäre. Was würde wohl danach kommen??? Wir hofften und beteten, dass Sandha ihre Tochter bei uns lassen würde, denn sie hatte ihr ja nichts mehr zu bieten, als zurück in das Elend und die Armut.
Am 29. März holte Sandha ihre Savida endgültig ab und es wurde dunkel in der Villa Deepam. Wir würden Savida wohl nie mehr sehen, unser kleiner Sonnenschein war weg - uns brach es fast das Herz und wir kamen in den darauf folgenden Wochen kaum darüber hinweg. Wir waren ganz alleine mit Nico und auch er liess die Ohren hängen, suchte ständig unsere Nähe und schnupperte an Savidas Zimmertür. Wir litten gemeinsam, doch das Leben ging irgendwie weiter und wir mussten funktionieren.
Dazu kamen noch andere grosse Probleme, die bewältigt werden mussten, denn im Juni lief unser 5-Jahres Visum ab. Die indische Botschaft in Bern informierte uns, dass wir unsere Visa hier in Trivandrum verlängern lassen können. So formulierten wir Anträge und stellten ein ganzes Dossier zusammen. Wir rannten während 4 Monaten von Pontius zu Pilatus und haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, alle Beziehungen spielen lassen und wirklich alles versucht, damit wir das Land nicht verlassen mussten. Und da haben wir zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren, was es heisst, in die indische Bürokratenmühle zu geraten. Anscheinend hat es im ganzen Trivandrum Distrikt noch nie einen Fall wie den unsrige gegeben und deshalb wollte niemand die Verantwortung für die Verlängerung unserer Niederlassungsbewilligung übernehmen - also machen sie lieber nichts, als etwas falsches... Der Chef der Fremdenpolizei behandelte uns wie den letzten Dreck und sagte: "Was - 5 Jahre seid ihr schon hier? Das genügt! Raus! Wir brauchen keine Ausländer!" Da standen wir wie zwei begossene Pudel. Von all unseren Freunden und einflussreichen Bekannten und Beziehungen hat uns niemand, aber auch gar niemand helfen können ausser Familie Gopika. Sie waren in dieser schweren Zeit die einzigen, die uns wirklich beigestanden sind, die uns unterstützt haben, bei denen wir uns aussprechen konnten, die für uns da waren und die sich auch tatkräftig um die Lösung unserer Visa-Probleme gekümmert haben. Und plötzlich kam wieder Hoffnung auf - vielleicht - nein, nun doch nicht - später - eventuell... So ging es hin und her und die Angelgenheit war so nervenaufreibend, dass es manchmal wirklich kaum mehr zum Aushalten war. Doch am Schluss hiess es eben doch - Raus aus dem Land! Die Tickets waren gekauft und die Flüge gebucht. 4 Tage in Bern für die Verlängerung unserer Visa, danach würde Hans zurück fliegen und ich würde noch einen Monat in der Schweiz bleiben, um meine Eltern und Freunde zu besuchen.
Doch meistens kommt es anders, als man denkt... Zwei Wochen vor Schulbeginn - eine Woche vor Abflug in die Schweiz - meldete sich Sandha. Sie habe ihre Ersparnisse der letzten vier Jahre aufgebraucht und müsse sich um eine neue Stelle kümmern. Also hatte sie kein Geld mehr, um Savida in die Schule zu schicken und die Kleine wurde ihr zur Bürde. So gab sie Savida wieder in unsere Obhut geben und wir wurden ein paar Tage vor Abflug durch eine Vereinbarung offiziell Savidas Pflegeeltern. Die Freude war unbeschreiblich gross und wir konnten unser Glück kaum fassen. Savida war physisch und psychisch ziemlich angeschlagen und es dauerte eine geraume Zeit, bis sie wieder unsere "gewohnte" Savida war. Sie wurde offenbar auch einer Gehirnwäsche unterzogen und hatte das Hick-Hack der letzten Monate auch mitbekommen. Sandha meldete sich in der Zwischenzeit immer wieder bei unserem Freund Bose und hoffte, durch seine Vermittlung wieder zu uns zurück kommen zu dürfen. Doch wir mussten hart bleiben - das Kind als Pflegekind, aber ohne Mutter - das war auch zu unserem Schutz notwendig. Doch jetzt war Savida wieder bei uns. Das Blatt schien sich endlich wieder zu unsern Gunsten zu wenden und somit würden wir vielleicht auch das Visa-Problem in den Griff bekommen...
Das hiess für uns, dass ich meinen Aufenthalt in der Schweiz auch auf die 4 Tage reduzieren musste und Savida durfte während dieser Woche bei Familie Gopika wohnen und mit ihren Freuden Malu und Manish spielen. Das tat ihr gut und wir wussten Savida in guten Händen.
Jetzt begann das Abenteur Schweiz: Am 27. Mai kamen wir in Kloten an und weiter ging die Fahrt nach Bern. Wir durften bei lieben Freunden wohnen und unsere indischen Freunde in Bern arrangierten ein Treffen für den nächsten Tag in der indischen Botschaft. Und nach sage und schreibe nur 1½ Stunden wussten wir, dass wir die Verlängerung bekamen und am Nachmittag lagen die Pässe abholbereit am Schalter. Wir konnten unsere Glück zum zweiten Mal kaum fassen - es war einfach unvorstellbar. Wir hatten wieder unsere neuen 5-Jahres Business-Visa in der Tasche! Wir waren völlig aus dem Häuschen. Wir feierten mit meiner Familie auf der Lenzerheide und dann ging es zurück in unser geliebtes Kerala.
Und da konnten wir unsere Savida wieder in die Arme schliessen und in der Zwischenzeit hatten sich Gopikas für eine neue Angestellte für uns umgesehen. Wir hatten ja seit März niemanden mehr - ausser dem kleinen Intermezzo für 14 Tage mit "Butler James" und so gaben wir Tangu eine Chance. Sie hat sich schnell bei uns eingelebt und wir sind zufrieden mit ihr. Sie ist zwar noch jung und hat kaum Lebenserfahrung, sie ist keine ausgeklügelte Köchin und wegen der Putzerei hatte ich zuerst auch meine Bedenken. Doch inzwischen hat sie sich an unseren Haushalt gewöhnt, sie ist immer guter Laune, macht ihre Arbeit, ist eine dicke Freundin von Savida und wir haben es gut zusammen.
Savida kam in die 3. Klasse und der Alltag kehrte ein. Und plötzlich schien wieder die Sonne in der Villa Deepam, das Leben pendelte sich ein, wir nahmen vermehrt Einladungen an, gingen wieder unter die Leute und jetzt ist das Familienleben viel schöner als es je war. Jetzt gehört Savida zu uns, wir können sie überall mitnehmen, ohne immer um die Erlaubnis der Mutter fragen zu müssen. Das macht das Zusammenleben viel einfacher. Sandha meldet sich nur sehr spärlich per Telefon, während den Onamferien war Savida wie abgemacht bei ihrer Mutter, doch dazwischen nimmt Sandha die Besuchsrechte kaum wahr.
Dieses Jahr wollten wir nach Trivandrum zügeln. Der Vertrag in der Villa Deepam lief aus und weil wir pro Woche 3-4 Mal nach Trivandrum fahren müssen, wollten wir uns eine Bleibe am Stadtrand suchen. Doch dieses Unterfangen erwies sich als relativ schwierig. Wir wohnen hier so gediegen und schön, dass wir natürlich etwas Ebenbürtiges in der Stadt wollten. Das war aber kaum zu finden oder nur zu astronomischen Preisen. Als wir die Suche aufgeben wollten, fanden wir doch noch unser "Traumhaus", welches sich dann aber als "Flophaus" entpuppte und so entschlossen wir uns, hier in Varkala zu bleiben. So haben wir die Villa Deepam für weitere fünf Jahre gemietet.
Während bei uns wieder der Friede eingekehrt ist, alle Probleme gelöst waren und wir das Glück mit Savida jeden Tag geniessen, kam der 11. September und von einer Minute auf die andere stand die Welt auf dem Kopf. Auch in der Schweiz jagte eine Katastrophe die nächste - das Attentat von Zug - der Brand im Gotthard - der Niedergang der Swissair - der Absturz der Crossair... Und droht uns jetzt ein neuer Krieg in Kashmir??? Die Welt ist völlig aus den Fugen geraten - nichts mehr ist wie früher und keiner weiss, wie und wo das alles endet. Das einzig Positive an der Sache ist, dass die Leute wieder näher zueinander rücken, man geniesst das Glück daheim, erfreut sich wieder vermehrt an Kleinigkeiten und so sind auch wir dankbar um jeden Tag, den wir gesund und glücklich mit Savida verbringen dürfen. Wir wissen nicht, wie lange dieses Glück hält und was uns die Zukunft bringen wird.
Die Touristensaison ist ziemlich ruhig angelaufen und die Hotels und Gästehäuser mussten viele Annullationen entgegen nehmen. Die Strände an der Kovalam Beach sind fast leer und einsam, während in Varkala noch ein paar Weisse ihre Ferien geniessen. Die Hotels sind mittel- bis unterbelegt. Deshalb freuen wir uns umsomehr, dass sich das Geethanjali zu einem Geheimtipp für traditionelle Ayurveda-Kuren entwickelt hat. Die laufende Saison ist schon bis in den März hinein ausgebucht.
Hans hat zum Thema Ayurveda kürzlich in Cochin im Rahmen des von der grössten Malayalam-Zeitung in Kerala organisierten Seminars "Kerala Tomorrow" vor rund 1000 Zuhörern einen Vortrag über "Promotion of Ayurveda in Tourism" gehalten. Daneben musste er Fernsehinterviews geben, die Zeitungen waren voll mit Bildern und Text und der ganze Vortrag von Hans war abgedruckt und das Echo ist absolut überwältigend.
Daneben testen wir immer noch neue Resorts, halten Vorträge an Tourismusfachschulen und Colleges, suchten und interviewten Ayurveda-Personal für die Malediven, Hans hält Vorträge an Seminaren; im "The Hindu" erschien ein grosser Artikel über uns und wir freuen uns auf Besuche aus der Schweiz - all diese Aktivitäten halten uns auf Trab und dazwischen stehen auch immer wieder Highlights auf dem Programm wie der Abend mit der Königsfamilie in Palast in Trivandrum, wo wir zu einem sehr intimen privaten Dinner eingeladen wurden, Hochzeiten, Einweihungen, Eröffnungen, die kulturellen Veranstaltungen, welche Dr. Gopika im Geethanjali für seine Gäste arrangiert und neben all diesen Aktivitäten soll auch Savida nicht zu kurz kommen. Sie ist eine fleissige Schülerin, macht gute Fortschritte und wir büffeln zusammen neben den anderen Fächern speziell Malayalam und Hindi.
Weihnachten feierten wir mit Freunden aus der Schweiz und Silvester verbrachten wir bei einer tollen Party unter Palmen, bei Vollmond und guter Musik im Taj Hotel. Savida tanzte den ganzen Abend und war kaum mehr von der Tanzfläche zu bringen.
Neben unserer aktiven Mitgliedschaft im Rotary Club Trivandrum City haben wir uns auch vermehrt sozialen Aufgaben zugewandt. Wir unterstützen weiterhin das Waisenhaus St-Joseph in Trivandrum, welches unter Schweizer Leitung 108 Mädchen beherbergt. Es ist für uns jedesmal ein rührendes Erlebnis, wenn wir die Mädchen besuchen können. Mit Hilfe von lieben Freunden aus der Schweiz und Deutschland konnten wir helfen, die notwendigsten Anschaffungen zu finanzieren.
Und seit kurzer Zeit haben wir ein weiteres dankbares Aufgabengebiet gefunden. Durch einen Zufall haben wir erfahren, dass es in Varkala eine Schule und ein Heim für blinde Kinder gibt. Weil das Blindenheim als private Institution unter der Schirmherrschaft der christlichen Kirche Südindiens geführt wird, erhält es keine staatlichen Beiträge und muss von Spenden leben. Es ist für uns eine grosse Freude und auch Genugtuung, dass wir auch hier unseren Beitrag leisten dürfen.
So hat unser Leben wieder einen Sinn bekommen und wir freuen uns auf das Jahr 2002. Was es uns bringen wird, wissen wir nicht und nehmen einen Tag nach dem anderen. Wir wünschen und hoffen, dass endlich wieder etwas Ruhe in die durcheinander geratene Welt einkehrt.
Mit herzlichen Grüssen
Yvonne und Hans
Jahresrückblick 1999
Das neue Jahrtausend ist schon bald einen Monat alt. Lassen wir das vergangene Jahr nochmals kurz Revue passieren. Es war ja wieder einiges los in der Villa Deepam in Varkala!
Nachdem wir in der Silvesternacht mit unseren Besuchen aus England und Hongkong gefeiert hatten, ging der Januar mit weiteren Gästen aus der Schweiz schnell vorbei. Wir haben wieder viele neue Bekanntschaften mit netten Leuten geschlossen, haben Touristen am Strand kennengelernt und sie zu uns nach Hause eingeladen - Sandha hatte viel zu tun, doch sie kocht immer gerne für viele Leute und verwöhnt alle mit ihren Kochkünsten. Am Ende des Monats begannen die verschiedenen Tempelfeste und für uns fing die "Tempelsaison" wie immer mit dem grossen Tempelfest im Kurakkanni-Quartier an, wo wir während den ersten Monaten in Indien im Prabhava wohnten.
Der Februar stand ganz unter dem Motto: Haus aussen neu anstreichen. Jeden Tag schwirrten bis zu 8 Maler herum, die zuerst alle Fassaden waschen mussten und anschliessend wurde alles schön bemalt. Die Häuser werden durch die Feuchtigkeit, die Hitze und den Monsun sehr in Mitleidenschaft gezogen und so benötigt ein Haus sehr viel Unterhaltsarbeiten. Mit nur zwei dünnen Bambusleitern als Gerüst wurde das ganze Haus neu bemalt. Die Männer hangelten sich wie Affen von Fenstervorsprung zu Erker und von Dachrinne zu Balkonbrüstung. Das Resultat liess sich zeigen: nicht mehr alles in grellen Tempelfarben wie ein Zuckerbäckerhaus - nein in gediegenen aufeinander abgestimmten drei Farbtönen.
Nach diesen anstrengenden drei Wochen hatten wir unsere kleine und schon lange geplante Backwatertour wirklich verdient. Wir übernachteten in Aleppey im Palmgrove Lake Resort, dessen Besitzer wir gut kennen und dem wir schon lange versprochen hatten, ihn zu besuchen. Er hat sich einen langgehegten Traum erfüllt und an einem der vielen Kanäle ein kleines Resort mit 4 Bungalows und einem Restaurant gebaut - alles aus Bambus. So ruhig und idyllisch! Am nächsten Tag holte uns das Hausboot ab und wir fuhren durch die engen Kanäle der Backwaters. Das ist "DAS" Highlight jeder Keralarundreise. Wir hatten bis anhin schon viele Hausboote besichtigt und auch Gäste auf Hausbootfahrten geschickt, aber noch nie waren wir selber mit einem gefahren. Die Hausboote sind ehemalige Lastkähne, welche für Touristen umgebaut wurden; die schönste und romantischste Art, die Backwaters kennenzulernen. Und zum Abschluss verbrachten wir noch zwei erholsame Tage in dem an den Backwaters gelegenen Taj-Hotel in Kumarakom.
Im April hatte Hans alle Hände voll zu tun mit der Verlängerung seines Führerscheins. Er fährt ja unsere Rikscha und auch unser Auto immer noch selber durch den chaotischen Verkehr. Nun ist er als einziger Weisser in Kerala stolzer Besitzer eines indischen Führerscheins! Sein internationaler Schein war abgelaufen und da wir keinen Wohnsitz mehr in der Schweiz haben, konnte er nicht verlängert werden. Weil dem Bigboss des Strassenverkehrsamtes wohl die Nase von Hans nicht passte, musste er die Theorieprüfung bestehen, obwohl er schon über 1 Million Fahrkilometer hinter sich hat. Im nachhinein stellte sich heraus, dass das ganze Unternehmen unnötig und damit also reine Schikane war. Mit der Bezahlung von Schmiergeld wäre wohl alles einfacher gewesen, doch wollten wir der Korruption hier nicht auch noch nachhelfen.
Hans wurde in den Rotary Club Trivandrum City berufen und zum "Director International Service" ernannt. Da es sich um einen Familienclub handelt, ist auch Yvonne immer bei den wöchentlichen Freitag-Meetings dabei und hat sich als Clubfotografin zur Verfügung gestellt. Wir haben seither sehr viele neue interessante Kontakte geknüpft. Der Club ist sehr aktiv; nach der grossen "Chartered Night", an welcher unser Club aus der Taufe gehoben und als Mitglied von Rotary International aufgenommen wurde, starteten wir gleich mit den ersten Projekten. Wir adoptierten eine Schule in einem sehr armen Quartier in Trivandrum, wo es an Mobiliar, Schulbüchern, Schreibutensilien und allem mangelt und organisierten einen monatlichen kostenlosen ärztlichen Check-up für alle Kinder. Wir unterstützen ein Mädchenwaisenhaus, das von einem Ehepaar aus der Romandie geführt wird. Daneben organisierten wir noch diverse kleinere Anlässe wie den Studenten-Info-Tag, das Jugend-Festival "Synergy 99" (ein Mal-, Musik- und Tanz-wettbewerb für talentierte junge Leute) etc.
Im Mai verliessen wir zum erstenmal Kerala und fuhren nach Madurai in Tamil Nadu. Dieser Staat ist mit Kerala gar nicht zu vergleichen. Die Natur ist relativ karg bis öde, uns fehlten die geliebten Palmen und das Volk ist viel ärmer als in Kerala. Ganz Madurai ist verstopft mit Ochsenkarren, von Muskelkraft geschobenen Karren, Velorikschas und anderen Leiterwägelis, so dass mit dem Auto kaum ein Durchkommen war. Es gibt in Madurai eine sehr berühmte Tempelanlage, welche wir besichtigten und danach haben wir die Annehmlichkeiten des Taj-Hotels hoch oben auf einem Hügel mit einer atemberaubenden Aussicht auf die Stadt genossen. Weiter ging die Fahrt zu unseren Freunden nach Thekkady im Naturschutzgebiet des Lake Peryiar. Wie immer, wenn wir in Thekkady sind, regnete es, der Nebel hing bis in die Kardamomstauden, Kaffeebüsche und Pfefferpflanzen herunter und es war so kalt, dass man sich am liebsten vor dem knisternden Kamin aufhielt. Doch wegen der ausgezeichneten italienischen Küche kommen wir immer wieder gerne zu Maria ins Shalimar.
Der April und der Mai sind in Kerala normalerweise die heissesten Monate, doch wir hatten bereits die ersten Regenfälle hinter uns, als am 1. Juni termingerecht der offizielle Monsun einsetzte. Und damit war auch Schulanfang. Unseren Hochzeitstag am 10. Juni feierten wir in Bangalore im Taj-Hotel West End. Es ist eine luxuriöse Hotelanlage mit diversen Restaurants - das italienische hatte es uns ganz besonders angetan - aber da es sich um ein typisches Businesshotel handelt, war es halt nicht so persönlich, wie die anderen Taj-Garden-Resorts, welche wir kennen. Bangalore ist mehr westlich als indisch und man sieht viele Frauen in Jeans und T-Shirts, was bei uns in Kerala undenkbar ist. Bangalore ist ein verführerisches Shopping-Paradies und wir liessen uns mitreissen... Saris, Churydars, Schuhe - alles was das Herz begehrt!
Im Juli war es Zeit für Yvonne, die Koffer zu packen. Nach zwei Jahren besuchte sie wieder einmal ihre Eltern auf der Lenzerheide und hat die vier Wochen mit ihnen, ihren Geschwistern, Verwandten, Freunden und Bekannten ausgiebig genossen. Und natürlich freuten sich ganz besonders ihre Eltern auf ihren Besuch.
Kaum war sie wieder daheim, liefen die Vorbereitungen für das grosse Onam-Fest auf Hochtouren. Das ganze Haus wird innen und aussen auf Hochglanz gebracht und Sandha hatte mit der Putzerei schon zwei Wochen vorher begonnen, Savida war mitten in den Prüfungen, doch bis zum grossen Tag war alles bereit und wir haben zusammen das wichtigste Fest der Keraliten gefeiert.
Im September ging es auch wieder ganz "strub" zu und her, da Savida sich für ihren ersten Tanzauftritt vorbereiten musste. Der Anlass war das "Rotary-Family-Weekend" im Taj-Hotel in Varkala. Die Tanzlehrerin kam fast täglich und am grossen Tag wurde Savida für ihren Auftritt während 4 Stunden angezogen, geschminkt, mit Schmuck behangen und schön frisiert. Und das für einen 10-minütigen Tanz! Aber sie hat alles mit Bravour hinter sich gebracht und war sehr stolz auf ihre Leistung! Wir natürlich nicht minder!
Anschliessend begann die neue Saison und schon durften wir die ersten Gäste bei uns willkommen heissen. Auch für Savida begann ein neuer Abschnitt. Weil wir schon lange nicht mehr mit der Little Flower Schule zufrieden waren, schauten wir uns nach einer besseren Schule um und fanden die M.G.M. Model School in Ayiroor etwas ausserhalb von Varkala. Das ist eine grosse Schule mit ca. 2000 Schülerinnen und Schülern, welche vom Kindergarten bis zur 12. Klasse unterrichtet werden. Alles ist sehr gut organisiert, es wird verlangt, dass auf dem Schulareal und selbst im Bus nur englisch gesprochen wird. Ausser Malayalam und Englisch hat Savida neu auch Hindi auf dem Stundenplan und ihr Lieblingsfach ist "Computer Science". Sie geht sehr gerne zur Schule, ist eine fleissige Schülerin und ist froh, dass in der neuen Schule nicht mehr mit Stecken auf die Kinder eingeschlagen wird, wie es sonst leider überall immer noch üblich ist.
Während des ganzen Jahres wurden wir immer wieder zu Einladungen, Eröffnungen, Hochzeiten und anderen Anlässen eingeladen, doch der November scheint "der" Festmonat des Jahres zu sein. Wir eilten buchstäblich von einem Fest zum anderen, von Hochzeit zu Hochzeit, von Verlobung zu Empfang und von Eröffnung zu Einweihung. Die eindrücklichste Feier war aber eine christliche Verlobung in Aleppey, welcher im Januar 2000 die Hochzeit in Cochin folgen wird, zu welchem Anlass wir auch eingeladen sind. Wir waren bis jetzt immer nur zu Hindu- und Muslimhochzeiten eingeladen, wo die Brautleute einander erst an der Hochzeit kennen lernen, weil die Eltern den Partner aussuchen. Doch in Aleppey ist es eine Liebesheirat und das kommt halt der westlichen Kultur schon viel näher.
Und schon eilte das Jahr mit riesigen Schritten dem neuen Jahrtausend entgegen und Savida sprach nur noch von ihrem "Chischchindli". Sie konnte es kaum erwarten und wir feierten zusammen am 23. Dezember Weihnachten bei 32° Celsius! Am nächsten Tag fuhren wir sie nach Bharathanoor in ihr Heimatdorf, wo ihre "amma" sie bereits erwartete. Sandha musste zu ihrem Haus und Grundstück schauen und war deshalb schon früher abgereist.
Es war wieder ein ereignisreiches Jahr und wir sind gespannt, was das neue Jahrtausend bringt. Wir sind glücklich in unserer neugewählten Heimat und können uns das Leben anderswo schon gar nicht mehr vorstellen. Wir gehen weiterhin jede Woche zur Ayurveda-Massage, wir sind alle gesund und munter und freuen uns auf alles, was uns im neuen Jahr erwartet.
Liebe Grüsse
Yvonne und Hans